Vorbericht zum Hemdglonker

11.02.2013 15:25 von Holger Merwerth

Archivbild vom Hemdglonker 2012

DER HEMDGLONKER GEHT AM KOMMENDEN DIENSTAG UM:

NACH DEM UMZUG FOLGT DER BALL IN DER RECHBERGHALLE

„Hört ihr Leut, vernehmt und wisst, dass der Hemdglonker geboren ist!“


Es gab Zeiten – und Holger Merwerth von der Fasnet-Zunft erinnert sich wehmütig an diese – da hörten in Kornwestheim Tausende diesen Ruf. Nicht nur, weil er so laut erschallte, sondern weil so viele Bürgerinnen und Bürger der „Geburt“ beiwohnten. Sie marschierten gemeinsam im Nachtgewand vom Alten Dorf zum Salamander-Festsaal – in späteren Jahren zum Kulturhaus – und liessen dort eine Riesensause steigen. Bis es zu viele wurden, die mitmachen wollten. Bis die Narren sich um die Eintrittskarten zum Hemdglonkerball quasi balgten. „Wir sind der Masse irgendwann nicht mehr Herr geworden“, blickt Merwerth zurück auf jene Zeit.

Der Hemdglonkerumzug wurde daher auf die Morgenstunden verlegt, wohin er ursprünglich auch mal gehörte. Schlagartig wurde es durch diese einschneidende Massnahme ruhig um die Schlafmützenträger. An die 30 Hemdglonker waren manchmal nur noch dabei. Wer will sich schon in aller Frühe aus dem Bett schälen und - unbemerkt vom Rest der Stadt – eine seltsame Prozession durch die Stadt machen. Selbst das folgende Narrenfrühstück zog nicht wirklich.

Wenn es nach Holger Merwerth und Markus Kämmle von der Fasnet-Zunft geht, wird der Hemdglonker in diesem Jahr aber neu geboren. Am Faschingsdienstag soll die Geburtsstunde sein. Um Punkt 19.11 Uhr werden die Hemdglonker von der Dorfkirche aus losziehen, dabei ordentlich Krach machen, um das Ende der Fasnetzeit anzukündigen, und anschliessend eine Party veranstalten, die ein wenig an die alten Zeiten anknüpfen soll. „Wir machen den Umzug jetzt wieder abends“, betont Merwerth immer wieder. Bisher sei das noch nicht im Bewusstsein der Fasnetfreunde der Stadt angekommen. Seit dem Jahr 2006 laufen die Hemdglonker bereits wieder abends, aber der Ansturm, wie in den 1980er Jahren ist ausgeblieben. „Früher war das eine Veranstaltung, da hat jeder hin müssen“, schwärmt Markus Kämmle. Um eine Eintrittskarte für den Ball zu bekommen, seien manche sogar in den Verein eingetreten. Andere stellten schon vor dem Umzug einen Vertreter ab, der um Karten anstand. Heute sei der Hemdglonkeraufmarsch ein Angebot für einen Umzug für Jedermann, so Merwerth, insbesondere in diesem Jahr, in dem der grosse Umzug ausfällt, nachdem 2012 das Landesnarrentreffen für ungewöhnlich viel Fez in der Stadt gesorgt hatte. Die einzige Bedingung, um beim Hemdglonkerumzug dabei zu sein, ist die entsprechende Bekleidung, aber dazu später mehr…

Von der Dorfkirche aus ziehen die Hemdglonker zur Rechberghalle in der Achalmstrasse. Dort wird in diesem Jahr der Ball steigen. Das „klassische Programm“ wird laufen, kündigt Markus Kämmle an. DJ Micha (Meyle) wird Musik auflegen. Die Zunftgranaten treten auf, die Garten zeigen ihre Schautänze und zwei verschiedene Guggen-Gruppen heizen mit heissen Rhythmen ordentlich ein. Der „highlightige Abschluss der närrischen Zeit ist laut Merwerth der Ball am Abend. Pünktlich um Mitternacht werden unter Wehklagen Maske, Häs und und Geschell in die Truhe zurückgelegt. Dann ist die Fasnet vorbei.

Zur Familie des Hemdglonker gibt es nur diese Information: Der Vater des Kornwestheimer Originals ist Alfred Beutel gewesen. 1979 rief er den Umzug ins Leben. Der ehemalige Stadtrat war erst vier Jahre zuvor der Fasnet-Zunft beigetreten. 1993 verstarb er, die Hemdglonker sind bis heute aber geblieben. Etwas geschwächt zwar, aber sie machen weiterhin ordentlich Radau. Wer sie verstärken und selbst zum Hemdglonker werden möchte, braucht nicht viel. Am wichtigsten ist das Nachthemd. Markus Kämmle hat seine weisse Tracht aus Ägypten. Holger Merwerth hat sich mal die Grundausstattung im Internet bestellt. Da ist er mit ein paar Euro weggekommen, inklusive Schlafmütze.

Früher wurden die Kopfbedeckungen aber auch „im Akkord“, so Merwerth, aus Kopfkissenspitzen gezaubert. Ein Bommel dran, schon ist der Narr auch obenrum zum Hemdglonker mutiert. Mit einer Laterne lässt sich der Weg beleuchten und dann braucht es noch irgendein Lärminstrument – von der Trillerpfeife bis zum Nachttopf, auf den mit Kochlöffeln geschlagen wird.

In 2014 feiern die Hemdglonker übrigens einen runden Geburtstag – zugegeben, nur einen närrischen, den 33. nämlich. Dann soll der Aufmarsch im Nachthemd besonders gross sein. Dabei haben die faulen Glonker mindestens einen Geburtstag übersprungen. Während des Irakkrieges wurde er nämlich nicht geweckt.

HEMDGLONKER

Bekleidung:

Ein weisses Nachthemd, am besten noch aus Grossmutters Zeiten und obendrauf eine Zipfelmütze. Vielleicht noch Bettsocken dazu – fertig ist der Hemdglonker. Vernünftig ist es, bei hiessigen Temperaturen, auf die richtige Unterwäsche zu achten. Da geht alles, was nur schön warm hält. Mutige ziehen auch die lange Feinripp-Unterhose über das übrige Beinkleid.

Utensilien:

Kerze, Topf, Rätsche, Rassel, Trillerpfeife, Glocke oder Bettpfanne mit Kochlöffel

Die Sparvariante

In Kornwestheim werden die Bekleidungsvorschriften nicht bierernst genommen. Weiss sollte das Oberkleid aber schon sein. Die Hemdglonker sollten aussehen, als kämen sie gerade aus dem oder gingen ins Bett. Sogar Gurkenmasken werden geduldet.

Rufe:

„Hört ihr Leut, vernehmt und wisst, dass der Hemdglonker geboren ist!“, heisst es in Kornwestheim. Aber auch „Narri, Narro“ ist zu hören. „Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz! Und wenn die Katz it hoorig ischt, dann fängt sie keine Mäuse nicht. Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz!“, ist wohl der bekannteste Hemdglonkerruf aus Konstanz.

Ursprung:

Das Wort Glonker steht für einen Müßiggänger. Seinen Ursprung könnte der fastnächtliche Hemdglonkerumzug im 15. Jahrhundert haben, als in der alten Bischofsstadt Konstanz Domschüler einem der ihren als Schülerbischof huldigten und die Riten der Kirchen verulkten. Noch heute ziehen in vielen Narrenorten in Baden-Württemberg Schüler beim Hemdglonker durch die Gassen, oft mit Transparenten, auf denen sie die Schwächen ihrer Lehrer aufs Korn nehmen. In Konstanz gehen die Hemdglonker am Schmotzigen Dunschtig auf die Strasse.

Quelle: Kornwestheimer Zeitung vom 06.02.2013, von Birgit Kiefer.

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